Victoria Weber | Alles zu Squarespace & Online-Branding

View Original

Durchhaltevermögen als Designer: Interview mit Sara Gisabella

Wenn du als Designer unterwegs bist, passiert es dir vielleicht manchmal, dass du dich in der shiny Instagram-Welt verlierst und du dir denkst: “Irgendwie geht es bei allen ab, nur bei mir nicht!”

In diesem Interview erzählt Sara Gisabella, Brand- und Webdesignerin mit Shopify* und Squarespace, dass trotz jahrelanger Erfahrung manchmal Durststrecken kommen - und gibt konkrete Tipps, wie du:

  • dich nicht entmutigen lässt

  • dein Business strategischer aufstellen und

  • langfristig aufbauen kannst.

Der wichtigste Tipp ist meiner Meinung nach, “nicht zu lange zu warten” - aber lies selbst, warum und was es damit auf sich hat.

Legen wir also direkt los mit dem Interview!


Hallo Sara, du bist Brand Designerin und arbeitest als Brand Strategist. Warum hast du dich dafür entschieden und wie bist du zum Design gekommen?

Erzähl uns doch einmal deine Backstory :-)

Ich bin eine komplette Quereinsteigerin und mein eigenes Design Business zu führen war absolut nicht mein Plan. Design war seit Teenie-Zeiten ein Hobby, aber professionell komme ich eigentlich aus dem Bereich Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Nahostkonflikt — Brand Design könnte nicht weiter davon entfernt sein!

Aber wie das Leben so spielt, kam dann doch alles anders. Ich wurde arbeitslos und in so einem spezialisierten Bereich gibt es leider keine Stellen wie Sand am Meer, also musste ich umdenken und habe mein Design Business gegründet. Durch Freunde habe ich erste Aufträge bekommen. 

Aber bis ich wirklich angekommen bin, hat es nochmal eine Weile gedauert. Branding hat mich von Anfang an gereizt, aber ich habe befürchtet, dass der Markt schon überflutet ist und ich sei als komplette Quereinsteigerin überhaupt die Letzte, die jemand als Brand Designerin brauchen könnte.

Deshalb habe ich erstmal allerhand andere Dinge ausprobiert, wie Illustrationen und Hand Lettering. Aber es hat mich dann doch zu sehr zum Thema Branding hingezogen—Gott sei Dank! Heute kann ich mir nichts Besseres für mich vorstellen, als andere Unternehmer beim Gestalten ihrer Marken zu unterstützen.

 



Welche Unterschiede gibt es für dich zwischen Brand Design und Brand Strategy - und wie würdest du jemandem das erklären im Vergleich zu bekannteren Worten wie “Grafikdesign”?

Diese Begriffe werden gerne mal zusammengeworfen, denn natürlich gibt es Schnittmengen, aber es gibt auch riesige Unterschiede! Erstmal sollten wir aber definieren was eine Brand, bzw. eine Marke überhaupt ist, denn da gehen die Missverständnisse meist schon los. 

Die Mehrheit glaubt, dass “Brand” und “Brand Design” dasselbe ist. Aber eine Marke ist nicht das Design, sondern kurz gesagt, wie ein Business, ein Produkt oder eine Dienstleistung wahrgenommen wird.

Nehmen wir z.B. eine weltbekannte Marke wie Nike als Beispiel. Die Marke ist nicht das berühmte “Swoosh”-Logo, sondern das, wofür Nike steht: dynamische, innovative Sportswear, die dazu inspiriert Höchstleistungen zu bringen. 

Brand Design ist die visuelle Darstellung der Marke. Bleiben wir bei dem Beispiel Nike. Das dynamische Logo, sportlich moderne Schrift, starke Farbkontraste, all das vermittelt optisch wofür Nike steht. Wenn Nike genauso aussehen würde wie z.B. Disney wäre es viel schwerer zu erkennen, wofür die Marke eigentlich steht.

Aber das ist nur ein Teil des Ganzen: Texte, Fotografie, Inneneinrichtung, Produkte, Musik, das Verhalten der Mitarbeiter—einfach alles womit ein potenzieller Kunde in Berührung kommt gehört ebenfalls zur Marke. 

Und damit all diese einzelnen Puzzleteile auch wirklich ein vollständiges kohärentes Bild ergeben, brauchen wir eine Brand Strategie. Diese Strategie ist quasi der Bauplan für die Marke. Denn erst wenn sich alle Bereiche der Marke daran ausrichten, entsteht eine starke Marke, die für Kunden auf allen Ebenen ansprechend ist.

Die Strategie klärt die Fragen: 1. Wie soll meine Marke wahrgenommen werden und 2. Was muss getan werden, damit sie auch tatsächlich so wahrgenommen wird? Zu sagen “Meine Brand ist luxuriös” macht sie noch lange nicht zu einer echten Luxus-Brand.

Grafikdesign ist ein Oberbegriff, der grundsätzlich alle möglichen Arten von Design umspannt, z.B. die visuelle Gestaltung von Büchern, Zeitschriften, Plakaten, Geschäftsberichten, etc.

Ich könnte die Liste endlos fortsetzen. Aber genau deshalb ist hier Vorsicht geboten, nicht jeder Grafikdesigner hat automatisch das nötige fachliche und theoretische Wissen um ein stimmiges Brand Design zu erstellen, auch wenn er/sie technisch in der Lage dazu ist ein Logo zu erstellen. Denn es gehört vielmehr dazu eine Marke zu kommunizieren als ein einzelnes Logo. 



Auf deinem Instagram-Profil hast du über Durchhaltevermögen als Designerin geschrieben und davon, dass Erfolg nicht über Nacht entsteht. Gibt es dazu einen bestimmten Hintergrund oder Gedanken, die du hattest? Hast du konkrete Tipps, um kontinuierlich dran zu bleiben?

Ich hatte letzten Herbst eine absolute Durststrecke in meinem Business und hatte keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Trotzdem habe ich auch in dieser Zeit auf Social Media so viele Nachrichten von Nachwuchsdesignern bekommen, die sich meinen Erfolg gewünscht haben und mich nach Tipps gefragt haben.

Es war total surreal und absurd, hat mir aber einfach wieder deutlich gemacht, dass oft Welten zwischen Instagram und der Realität liegen

Es war im Übrigen auch gar nicht meine Absicht mich auf Instagram als Erfolg zu inszenieren, aber zu sagen “hey, in meinem Kalender herrscht gerade gähnende Leere” zieht aber eher Schnäppchenjäger als Qualitätskunden an. Mittlerweile weiß ich, dass auch die augenscheinlich erfolgreichsten Designer immer mal wieder Durststrecken und Probleme mit Kunden haben. 

Da kommt das Durchhaltevermögen ins Spiel: Wir sehen oft nur die schöne Welt des Erfolgs, aber in Wahrheit ist es hart ein Business aufzubauen. Als Designer*In hört man immer wieder ‘Nein’, ‘Du bist mir zu teuer’ oder ‘deine Arbeit gefällt mir gar nicht’.

Ich bin kein Freund davon zu sagen, dass man niemals aufgeben darf, denn meiner Meinung nach ist das keine Schande, aber man braucht schon ein dickes Fell um mit den Rückschlägen umgehen zu können und sich nicht alles zu Herzen zu nehmen. 

Hier sind ein paar konkrete Tipps, die mir in meinem Business geholfen haben:

  1. Teile die Art von Projekten, von denen du mehr machen möchtest. Kunden ist es sowas von egal, ob es ein echtes oder fiktives Projekt ist. Wenn ich kein echtes Kundenprojekt habe, das passt, erstelle ich ein fiktives. Ich habe allein in den letzten Monaten 3 neue fiktive Projekte veröffentlicht, weil ich eine größere Designvielfalt zeigen wollte. 

  2. Suche dir andere Designer zum Austausch. Ob privat oder in einer bezahlten Community, es gibt nichts Besseres als den Austausch mit anderen. Es ist viel leichter durchzuhalten, wenn man weiß, man mit den eigenen Problemen nicht allein ist.

  3. Folge deinen Interessen. Ich hatte es eingangs erwähnt, aber ich hatte am Anfang meiner Designlaufbahn Angst mich auf Branding zu spezialisieren, weil ich das Gefühl hatte der Markt ist überfüllt. Aber erst als ich dann doch meinem Interesse gefolgt bin, haben sich die ersten Erfolge eingestellt. Und nach und nach habe ich mich immer weiter spezialisiert, indem ich meinen Interessen weiter gefolgt bin. Ich versuche so weit wie möglich Projekte auszuwählen, die mich persönlich interessieren, denn es ist anstrengend seine gesamte Energie in ein Projekt fließen zu lassen, dass einen persönlich gar nicht interessiert. 

  4. Mach deine Zufriedenheit nicht abhängig von deinem Erfolg. Im Business geht es auf und ab. Das gehört einfach dazu. Deshalb ist es wichtig dein Selbstwertgefühl nicht an den Erfolg deines Unternehmens zu koppeln. Natürlich löst Geld auf dem Konto viele Probleme, aber auch wenn dein Konto gerade mal wieder blank ist, heißt das nicht, dass du ein Versager bist. Wichtig ist zu schauen an welchen Schrauben man drehen kann, um die Lage zu verbessern, aber Misserfolge sagen nichts über dich als Mensch aus. 

Welche spannende Projekte hast du bisher begleitet? Hast du ein Lieblingsprojekt?

Es ist schwierig ein einzelnes herauszupicken! Am meisten mag ich Projekte mit Unternehmen, die etwas anders machen wollen, als andere. Ich habe z.B. mit einer Physiotherapeutin gearbeitet, die ein ganz tolles neues Konzept hat und weg vom verstaubten Physiotherapie-Image will.

Mehr kann ich dazu leider noch nicht verraten, aber mit dem typischen Physio-Look hat das Ganze nichts mehr zu tun! 

Ein anderes Lieblingsprojekt ist Kari Concept, ein Laden in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main, den ich bei der Gründung unterstützen durfte. Kari Concept bietet ausgesuchte marokkanische Einrichtung und Wohnaccessoires an.

Den Gründerinnen ist dabei besonders wichtig authentisches Amazigh-Handwerk zu unterstützen. Jedes Produkt wird fair und nach traditionellen Handwerk in Marokko hergestellt. Sie kennen die Werkstätten und haben persönlichen Kontakt zu allen Handwerker*Innen und Partner*Innen. 

Dieses Projekt war für mich etwas ganz Besonderes, denn zum einen durfte ich tief in eine mir bis dahin fremde Kultur eintauchen und viel Neues lernen.

Aber auch auf ganz persönlicher Ebene war es besonders aufregend den Laden betreten zu können und mein Design wiederzufinden. Und ich liebe es selbst dort Geschenke einzukaufen! 

Was gefällt dir bei/an deiner Arbeit am meisten?

Jedes Projekt ist ganz einzigartig und das bedeutet für mich in viele verschiedene Welten eintauchen zu dürfen. Viele Designer arbeiten gerne nur mit bestimmten Branchen zusammen und obwohl das natürlich völlig legitim ist, liebe ich die Vielfalt und freue mich mit den unterschiedlichsten Branchen zu arbeiten.

Aber jeder Kunde hat auch ein ganz eigenes Problem, dass es zu lösen gilt. Für eine Kundin ist das zum Beispiel, dass sie nicht weiß, was ihr Business einzigartig macht, für eine andere, dass sie nicht weiß, wie sie ihre Einzigartigkeit kommunizieren soll. 

Deshalb hat es mich immer stärker zur Brand Strategie gezogen, denn dieser Rahmen gibt mir die Möglichkeit wirklich mit meinen Kunden an der Problemlösung zu arbeiten. Der schönste Moment in jedem Projekt ist dieser Moment der Klarheit, wenn wir die Lösung erkennen. 

Es ist so schön zu sehen, wie viel Selbstbewusstsein aus der Klarheit über die eigene Marke fließen kann! 

Was sind die größten Branding-Fehler, die Selbstständige machen?

Meiner Meinung nach gibt es zwei Hauptfehler, den eigentlich jeder (mir inklusive) irgendwann mal macht:

#1 Mit dem Strom schwimmen

Wir sind inspiriert durch das, was wir kennen, deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es in allen Branchen gewisse Trends gibt. Aber wenn wir alles genauso machen, wie unsere Mitbewerber, warum sollten sich unsere Kunden für uns entscheiden? 

Es gehört Mut dazu anders zu sein und die Dinge anders zu machen, als die anderen in der Branche, aber wer nur mit dem Strom schwimmt, kann sich auch nicht abheben. 

Und das bringt mich zu Fehler Nummer 2:

#2 Allen gefallen zu wollen

Natürlich wollen wir alle gerne so viele Kunden wie möglich erreichen, aber wer versucht allen zu gefallen kann nur mit dem Strom schwimmen. 

Viel erfolgversprechender ist es aber sich auf eine bestimmte Kundengruppe zu konzentrieren. Denn je gezielter du diese eine Gruppe ansprichst, desto eher werden sie deine Produkte oder Dienstleistungen auch kaufen wollen. 

Selbstständige sind oft zu sehr bei sich und den eigenen Interessen und Wünschen, aber schlussendlich machen wir das alles für unsere Kunden, deshalb solltest du dir klarmachen, wer deine Kunden sind und was sie von deiner Marke brauchen. 

Was sind deine ersten Schritte, wenn du eine Brand Strategie entwickelst?

Fragen. Fragen. Fragen. 

Das Wichtigste für eine erfolgreiche Brand Strategie ist das Business und die Marke rundherum zu beleuchten und zu sehen, wo denn eigentlich die Probleme sind.

Oft glauben meine Kunden, das Problem ist das Design oder die Webseite, tatsächlich sind das meist eher Symptome für ein tiefergehendes Problem. Deshalb steht und fällt der gesamte Prozess mit Fragen (erst in Form eines Fragebogens zur Vorbereitung und dann in einem mehrstündigen Workshop).

Niemand kennt das eigene Business und die eigene Marke so gut wie die Gründer, deshalb haben sie meist selbst die Lösungen—und es ist meine Aufgabe sie aus ihnen herauszuholen, in dem ich Fragen stelle, die sie in neue Richtungen denken lassen. 

Vereinfacht gesagt, meine Aufgabe als Brand Strategin ist also gute Fragen zu stellen, die Antworten zu sammeln und dann Ordnung in das Chaos zu bringen. Und daraus ergibt sich dann die Strategie für das weitere Vorgehen der Marke. 


Wo holst du dir deine Inspiration und hast du Empfehlungen für Quellen, die nicht jeder Designer kennt? Ich selbst hänge ja immer viel zu viel bei Typewolf herum und liebe Creative Market, aber die beiden kennen ja inzwischen alle.

Inspiration hole ich mir meistens auf Instagram, Pinterest, Typewolf und Behance. Die üblichen Verdächtigen ehrlicherweise. Aber hier sind ein paar meiner Lieblingsquellen, die hoffentlich noch nicht jeder kennt: 

Für Stock Fotos liebe ich Stocksy.com. Es sind zwar keine kostenlosen Bilder, aber dafür ist die Qualität und Auswahl einfach super.

Außerdem liebe ich die Mockups von Rebecca Berrington*. Das tolle ist, ihre Mockups sind nicht nur wunderschön, sondern auch limitiert. Wir alle kennen leider das Phänomen, dass manche Mockups einfach überall verwendet werden und dadurch alles gleich aussieht. Das kann mit diesen Mockups nicht mehr passieren. 

Artikeltipp: Hier findest du die besten Stockfotos für deine Website


Welche Tipps hast du für junge Designer, die starten wollen? Vielleicht etwas, das du im Nachhinein selbst anders gemacht hättest?

Ich habe zu viel Zeit damit verschwendet “gut” zu werden. Natürlich ist es wichtig, sich immer weiterzubilden und Neues zu lernen, Erfahrungen zu machen und sich zu verbessern, aber ich habe mich oft zu klein gemacht und mich nicht getraut meine Arbeit zu veröffentlichen und zu promoten. 

Das fällt mir auch heute noch schwer, aber wenn niemand weiß, was wir machen und können, dann will auch niemand mit uns arbeiten! 

Deshalb ist mein Rat: fange so früh wie möglich an, dich und deine Arbeit auf Social Media zu zeigen. Je früher du beginnst, desto eher wirst du Ergebnisse sehen! 

Den “richtigen” Zeitpunkt, an dem man sich bereit fühlt, gibt es einfach nicht. Es gibt immer noch so viele Momente in meinem Business, in denen ich mich bestimmten Aufgaben nicht gewachsen fühle. Und das ist auch gut so, denn das bedeutet ich wachse immer noch mit jeder Herausforderung über mich hinaus und stagniere nicht. 

Aber du wirst dich wahrscheinlich niemals wirklich gut genug fühlen, deshalb leg einfach los! 

Danke, Sara!

Hier findest du Sara Gisabellas Website und hier auf Instagram.
Photo Credit: Claudia Simchen


Übrigens: Sara ist auch als Mentorin in Webdesigner Wunderland mit dabei. In diesem Gruppenprogramm geht es darum, dir ein ortsunabhängiges Webdesign-Business (als top bezahlter Experte statt Freelancer) aufzubauen. Alle Infos findest du hier!


Diese Artikel könnten ebenfalls interessant für dich sein:


Speichere dir diesen Artikel bei Pinterest: